Ja, manchmal scheitere ich! Über Vorstellung und Wirklichkeit von Vereinbarkeit

Diesen Text habe ich am 4. Januar angefangen. Ich wollte ihn zu Ende schreiben, wenn ich das letzte Interview abgetippt, die Wäsche aufgehängt, den Text an die Redaktion geschickt, die Kinder abgeholt, den Hund ausgeführt, die Rechnung bezahlt, viel mehr Geld verdient, die Zettel für Elternsprechtag und Schüleraustausch ausgefüllt und den Emaileingang abgearbeitet habe.

Hat nicht geklappt. Kam was dazwischen. Mehr Wäsche zum Beispiel. Und Kinder. Und Arbeit. Nur noch das Interview abschicken. Nur noch die eine Dienstreise. Zwischendurch hatte ich mal den hehren Plan, diesen Text hier morgens vor der Arbeit zu schreiben. Hat aber leider nicht gepasst zwischen meinem morgendlichen Yogaübungen und Waldläufen, ehe ich den Tag mit einem gesunden und ausgiebigen Frühstück beginne.

Ach so, Yogaübungen und Waldläufe habe ich morgens auch nicht geschafft. Das Frühstück meistens auch nicht. Ich lese ständig Artikel über besseres Zeitmanagement und wie wichtig gute Morgenroutinen sind und ich stelle fest: Ich bin schon am Morgen ein Versager. Ich kann leider nicht um 5.30 Uhr meine Sporteinheit einplanen. Ich habe vorher auch nicht mindestens acht Stunden am Stück geschlafen. Guess why.

Wo ist sie geblieben, die Zuversicht? 

Eigentlich wollte ich einen Text darüber schreiben, dass ich etwas verloren habe. Etwas, dass mich lange begleitet hat, mir aber irgendwann in den vergangenen Monaten oder Jahren abhanden gekommen sein muss. Es ist dieses „Passt-Schon“-Gefühl. Diese Zuversicht, dass alles klappen wird. Die Leichtigkeit des Seins.

Ich wollte darüber schreiben, dass ich mich frage, wo dieses Gefühl wohl geblieben sein muss. Vielleicht ist es zwischen Kind 2 und 3 auf der Strecke geblieben? Oder ist das vielleicht auch einfach so, dass sich das Leben mit 33 so erwachsen anfühlen muss? Dass das „Passt-Schon-Gefühl“ zwangsläufig dem „Wie-zum-Henker-soll-das-alles-klappen-Gefühl“ weichen muss? 

Jetzt, wo ich diese Zeilen hier lese, habe ich eher die Vermutung, dass es vielleicht unter einem Riesenhaufen Wäsche vergraben ist. Das wiederum würde bedeuten, ich hätte diese Leichtigkeit gar nicht verloren — eben nur verlegt.

Eigentlich wundert es mich gar nicht, dass ich mich so fühle, denn wir sind hier gerade so richtig in der Rushhour des Lebens; das volle Programm mit Haus, kleinen Kindern und eine berufliche Phase, in der Weichen gestellt werden wollen. Wieso glaube ich und glauben andere, da könnte man so ganz entspannt durchspazieren oder gar joggen?

Ein Kraftakt für alle

Die Vereinbarkeit der vielen Lebensbereiche ist ein Kraftakt, der alle in unserem Umfeld fordert (nur als Beispiel: Damit ich gestern eine Schulung in Köln besuchen konnte, brauchte ich zwei Omas, eine Schwester und eine Nichte plus eine Ganztagskita). Und am Ende bleibt trotzdem oft das Gefühl, nicht genug zu sein. Nicht genug Mama, nicht genug Ehefrau, Journalistin, nicht genug Freundin, nicht genug Tochter, Schwester, Bloggerin und vor allem nicht genug ich.

Jetzt könnte ich natürlich sagen: Mensch, warum hast du auch so hohe Ansprüche an dich selbst?! Aber das wäre zu billig. Es ließe mich und auch die vielen anderen Eltern, die gerade in dieser Troubleshooting-Lebensphase sind, mit diesem Gefühl zurück, selbst schuld zu sein. Dabei gibt es Rahmenbedingungen und gesellschaftliche (Rollen-) Erwartungen, die uns das Leben ganz schön schwer machen.

Neulich sagte mir meine Freundin, dass bei uns immer alles so easy wirke. Dabei will ich gar nicht mitmachen bei dieser Competition, wer hier die entspannteste Mutter ist. Bei uns ist vieles nicht easy und auch wir kommen hier zuweilen an unsere Grenzen. Das ist mühsam. Und trotzdem würde ich mich immer wieder fürs Kinderkriegen entscheiden.

Mehr Transparenz, bitte! 

Die Vereinbarkeit ist eine fucking Herausforderung — die ich manchmal meistere, und manchmal nicht. Dann rufe ich nicht zurück, dann vergesse ich die Zettel für die Schule, dann kriege ich die zweite Mahnung und dann brauche ich fünf Monate um einen Text zu schreiben. Das ist dann blöd. Aber so ist es eben.

Dass es diese vielen Vereinbarkeitsprobleme gibt, kann ich nicht ändern. Aber ich halte es für wichtig, dass wir sie transparent machen. Nicht nur unter uns Eltern, sondern es am liebsten in die weite (Arbeits)welt hinausschreien. Einfach damit sichtbar wird, was es bedeutet diese vielen Bälle zu jonglieren, auch um unseren Teil zum gesellschaftlichen Leben beizutragen. Denn so viel ist mir durchaus klar: Eine größere Waschmaschine ist sicher keine Lösung. 

4 Antworten auf „Ja, manchmal scheitere ich! Über Vorstellung und Wirklichkeit von Vereinbarkeit“

  1. Ich bin die Lehrerin, die die Abgabe der oben erwähnten Zettel das ein oder andere Mal mehr einfordert. Aber ich bin auch die Lehrerin des Kindes, welches zwischen den Wäschebergen und verpassten Yogaübungen seiner Mutter bereits ein hohes Maß an Sozialkompetenz erworben hat, was viel mehr wiegt als ein pünktlich abgegebener Zettel.

Kommentare sind geschlossen.