Kita, Schule und Co.: Wie viel Schenkerei muss eigentlich sein?

Die Sommerferien stehen vor der Tür und damit beginnt spätestens jetzt die große Abschiedstournee. Jedes Schuljahr, jedes Kindergartenjahr, jedes Sportvereinsjahr wird noch einmal zelebriert und jedes Mal werden Lehrer*innen, Erzieher*innen und Trainer*innen mit einem kleinen Geschenk verabschiedet — nicht immer zur Freude aller Beteiligten.

Der Umfang dieser „kleinen Geschenke“ kann durchaus variieren: angefangen bei einem Strauß Blumen über Tassen bis hin zu Restaurantgutscheinen oder gar einer Gartenbank. „Das ist manchmal richtig unangenehm“, erzählt mir meine Freundin Merle. Sie ist Lehrerin und sagt offen, dass sie sich nicht über jedes Geschenk freuen kann. Aber dazu gleich mehr.

Inzwischen gibt es diese Geschenke ja nicht nur zum Kita- oder Schulabschluss, sondern zum Abschluss eines jeden Jahres, Halbjahres, zu Weihnachten, zum Geburtstag, nach einer Klassenfahrt oder einfach nur so. Diese ganze Schenkerei ist in fast allen Fällen nett gemeint, aber nicht selten unproblematisch. Zunächst für uns Eltern: Manche können sich diese vielen, vielen kleinen Aufmerksamkeiten in der Summe schlicht nicht leisten. Vor allem dann nicht, wenn sie mehrere Kinder haben. Manche wollen es vielleicht auch nicht, haben aber wenig Lust auf den Geizkragen-Stempel. Das Problem: Wenn alle etwas schenken, kann man sich dem Ganzen schlecht entziehen ohne dass es einen faden Beigeschmack hinterlässt.

Schwierig ist es aber oftmals auch für die Beschenkten. Zunächst weil zumindest die Verbeamteten eigentlich gar keine Geschenke annehmen dürfen; zu schnell liegt der Vorwurf der Bestechlichkeit im Raum. Das Schulministerium in NRW etwa beschränkt die zulässige Schenkerei auf geringwertige Aufmerksamkeiten. So kann ein gut gemeinter Gutschein über 30 Euro Lehrer und Lehrerinnen in Konflikte bringen: Nehmen sie es an, riskieren sie Ärger mit ihren Vorgesetzten, lehnen sie es ab, empfinden es die Schenkenden vielleicht als unhöflich.

Mein Gefühl ist auch, dass wir Eltern beim Verschenken vielleicht ein bisschen die aus dem Blick verloren haben, um die es eigentlich doch geht: Die Kinder und die Personen, die sich bestenfalls gut um sie gekümmert haben. Freuen sie sich wirklich über die sechste Tasse? Fragen wir sie doch einfach selbst! Weil ich über die Offenheit meiner Lehrerin-Freundin neulich so dankbar war, habe ich mich ein bisschen bei den Lehrer*innen in meinem Umfeld umgehört und gefragt, was sie eigentlich gerne geschenkt bekommen und was sie mit unliebsamen Geschenken machen.

Carina*, 33, Sonderpädagogin:
„Am besten gefallen mir wirklich persönliche Dinge von den Kindern, für die auch nicht viel ausgegeben werden muss. Neulich habe ich von einer Gruppe Eltern einen Korb geschenkt bekommen mit Dingen, die ich im Lehreralltag gut gebrauchen kann, wie Textmarker und so, die dann personalisiert wurden mit Wünschen. Das fand ich ganz toll, so denke ich oft an die Kinder und die Familien, weil ich das eben oft gebraucht habe.
Was ich nicht gebrauchen kann sind so Stehrümchen wie Vasen, Tassen, Teller und bemalte Leinwände. Ich habe gar nicht so viel Platz und will auch nicht die ganze Wohnung damit zukleistern. Der andere Teil meiner Familie kann damit auch nicht so viel anfangen und so groß ist ja mein Büro auch wieder nicht. Gleichzeitig schmeiße ich ungern Geschenke weg. Also steht dann die nächste Schneekugel wieder irgendwo im Regal.“

Katrin, 40, Berufsschullehrerin:
„Das schönste Geschenk war ein Gedicht einer Klasse, indem sie die drei Jahre sehr schön zusammen gefasst haben. Ich hatte der Klasse mal irgendwann erzählt, dass ich ein Tattoo habe, aber nicht was und wo. Das würde ich ihnen erzählen, wenn sie den Abschluss hätten. Ich bin davon ausgegangen, dass sie es vergessen. Letzter Satz im Gedicht: Was jetzt noch zu klären bleibt, ist das Tattoo aus ihrer Jugendzeit. Clevere Mädels. Letztes Jahr bekam ich ein sehr persönliches Fotoalbum einer Klasse. Alles so Heul-Momente für mich. Skurril war folgendes: ein kleines Fläschchen mit buntem Sand gefüllt, in dem ein Kamel abgebildet war und mein Vorname drin stand. Habe ich aber noch irgendwo. Kann sowas nicht wegwerfen, hat ca. ne 5-Jahreschance zu bleiben oder bis zum nächsten Umzug.“

Matthias, 32, Lehrer an einer Gesamtschule:
„Sach-Geschenke für Lehrer sind tatsächlich manchmal eher Ausdruck von weniger Beziehung. Tee, Marmelade oder ein T-Shirt sind nett und deshalb wohl auch weit verbreitet. Eine persönliche Botschaft, ob Bild, Brief oder Video, sagt mir aber viel mehr über die Beziehung zu einer Klasse, als investiertes Geld in unpersönliche Geschenke. Den Tee schmeiße ich direkt in den Müll, Shirts werden kurzzeitig wegen der Höflichkeit archiviert. In der Regel verwahre oder nutze ich die Geschenke aber eher nicht.“

Clara, 34, Realschullehrerin:
„Meine Geschenke waren tatsächlich immer toll: Orchidee und nette Worte und zwischendurch (vor Ferien), Kräutergartentopf, kleine Vasen mit Blumen, Teelichthalter in Sternförmig, Teebecher to go. Wird alles hingestellt und benutzt. Und ich habe mich gefreut.“

Lena, 32, Grundschullehrerin:
„Gerade Familien aus aus anderen Ländern schenken oft alleine Dinge, sei es zum Geburtstag, Ostern etc. und da hab ich von Pralinen, Blumen, Tassen, Wellnessprodukten bis Schmuck schon fast alles bekommen, was ich eher unangenehm fand. Vieles entsprach auch einfach gar nicht meinem Geschmack und weil wir ja so teure Geschenke theoretisch auch gar nicht annehmen dürfen. Gerade wenn es keine Gemeinschaftsgeschenke sind, liegt der Verdacht der Bestechung oder des Einschleimens für den Schulerfolg einfach schnell im Raum. Diesen Eltern habe ich das dann meistens ein mal erklärt, da sie es aus ihren Herkunftsländern einfach anders kannten und in der Regel haben sie es dann gelassen. Als Gemeinschaftsgeschenk habe ich vor allem Blumen und Bilder und Texte von den Kindern bekommen, was ich super finde. Natürlich kann man nicht jedes Bild aufheben, aber so zusammengeheftete Abschiedsbücher von einer Klasse behalte ich schon. Je nachdem wie voll der Klassenraum so ist, finde ich auch was mit Fotos zum aufhängen gut, habe zum Beispiel eine Uhr mit Foto der letzten Klasse im Klassenraum. Aber klar, das würde man aber eben nicht privat aufhängen. Ich habe auch schon einen Shopping-Gutschein bekommen, das war nett, aber mir auch irgendwie unangenehm, weil es so viel Geld war und absolut nichts mehr mit den Kindern zutun hatte.“

Nina, 49, Grundschullehrerin:
„Ich freue mich ehrlich immer über die Geschenke, weil das eine Wertschätzung ist. Es gab noch keins, was ich weggeworfen habe. Die Einkäufer hatten immer Geschmack und die Kinder haben viel Liebe reingesteckt. Bilder habe ich aufgehängt und weggeschmissen als die Kinder nicht mehr in der Schule waren. Aber ich erwarte tatsächlich keine Geschenke. Wenn ich aber keine gemalten Bilder mehr bekommen würde, wüsste Ich, dass ich bei den Kindern nicht mehr ankomme.“

Merle, 41, Berufsschullehrerin:
„Grundsätzlich finde ich Geschenke zu jedem Jahresende unangemessen. Zum Schul- oder Kita-Abschluss ist das natürlich in Ordnung. Gerade zum Ende des Schuljahres kommen mehrere auf die Idee mal ein Pfund Kaffee oder ein paar Kekse mitzubringen. Das finde ich aber auch netter, wenn das dann mittendrin im Jahr mal ist, dann machen das nicht alle. Geschenke zum Schulabschluss sind immer schön, wenn die wirklich persönlich auf die Person zugeschnitten sind und eher einen Witz oder eine kleine Aufmerksamkeit beinhalten. Auf keinen Fall etwas, das preislich in einem höherem Segment liegt. Ich freue mich über Blümchen oder Schokolade. Das skurrilste Geschenk war neulich von einem Schüler, der eine Klausur nicht mitgeschrieben hatte. Der brachte mir Currywurst mit Pommes vorbei. Ich fand das super, war aber auch ein bisschen peinlich. Kleidung oder T-Shirts kommen eher doof an. Dann lieber Schreibwaren verschenken. Aber ich sag mal so: Das ist unser Job, da braucht man nichts zu schenken. Viel schöner finde ich es, wenn sie selbstorganisiert ein Frühstück vorbereiten oder einen Grillabend und einen dazu einladen.“

Laura, 32, Lehrerin am Gymnasium:
„Ich liebe es Geschenke zu bekommen. Deshalb bin ich offen und freue mich über fast alles. Wenn ich allerdings Deko für meine Wohnung von einer Klasse bekomme (irgendein undefinierbares Ding zum Aufhängen), Tee oder Kaffeeuntersetzer, dann muss ich mich schon zusammen reißen und tapfer lächeln. Ich habe auch schon schöne Geschenke bekommen, vor allem zur Hochzeit gab es Selbstgebasteltes. Das war niedlich, aber ich kann überhaupt nicht sagen, wo es gelandet ist. Wenn es gut läuft, in irgendeiner Kiste; wenn nicht, dann im Müll. Die Anteilnahme hat mich gefreut. Zwei Schüler meines ersten LKs haben mir auf dem Abiball einfach so, abseits des Geschehens einen dicken Strauß Blumen geschenkt. Da hab ich mich wirklich sehr drüber gefreut. Meine 9. Klasse die ich im Ref hatte, hat mir einen Gutschein für ihren Abiball geschenkt, der ja drei Jahre später sein sollte. Da ich an eine andere Schule gegangen bin, fand ich das toll. Schokolade geht übrigens immer! Da freuen sich alle Kollegen im Lehrerzimmer.“

Verena, 34, Lehrerin am Gymnasium:
„Toll finde ich immer Dinge, die selbstgemacht sind — problematisch wird es eher, wenn klar ersichtlich ist, dass die Geschenke mehr als 5 Euro gekostet haben – die darf ich eigentlich nicht annehmen. Besonders süß fand ich ein Video von meiner Klasse zu unserer Hochzeit – da haben alle Kinder ihre Wünsche (jeweils einen kleine Satz) hintereinander aufgesagt. Selbstgemacht Dinge sind wirklich am Schönsten!
Schön, aber auch ein bisschen schräg war mal ein rotes Pappherz mit aufgeklebtem Lolli und der Aufschrift: unsere Liblingsmathelehrerin (genau so geschrieben). Ein Highlight war ein kleiner blauer Papagei von Schleich von meiner „blauen“ Klasse (bei uns an der Schule haben alle 5. & 6. Klassen eine bestimmte Farbe…). Mein absoluter Favorit war ein kleiner Babybody mit der Aufschrift: „Heute mache ich mein Seepferdchen“ von meinem Sportkurs aus der Oberstufe.“

*(alle Namen wurden geändert, um die Anonymität zu wahren)

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