
„Eltern, wo seid ihr nur?“, fragt Alu vom Blog Grossekoepfe, denn sie fühlt sich einsam beim #studierenmitKind. „Hier!“, möchte ich ihr zurufen, bis vor kurzem war ich eine von euch. Und ich war es gern! Denn ich fand und finde, die Kinder im Studium zu bekommen, war eine famose Idee. Ich hatte aber auch Glück — und eine Uni, die clevere Entscheidungen getroffen hat.
Du wünschst dir mehr Eltern auf den Bänken in den Hörsälen, um gemeinsam zu kämpfen. Ich würde sofort meine Ärmel hochkrämpeln und dir zur Seite springen, liebe Alu. Nur gerade sitze ich zum ersten Mal seit 13 Jahren nicht mehr auf einer Bank in Hörsälen oder Seminarräumen. Würde es dir und anderen Eltern helfen, wenn ich erzähle, was mir geholfen hat?
Ich bin froh, dass ich mein Studium abgeschlossen habe. Lange hatte ich gehadert. Meine Kommilitonen waren nach und nach an mir vorbeigezogen. Zurück an der Uni kam ich mir vor wie ein Fossil. Irgendwann habe ich mir ganz bewusst die Frage gestellt, wie das jetzt weitergehen soll. Und als ich die bewusste Entscheidung fürs Weiterstudieren getroffen habe, zog ich es auch durch. Ich weiß, manche Tage oder Wochen sind einfach kacke. Manche Profs sind ätzend. Und trotzdem: Liebe Eltern an den Unis, haltet durch! Es wird besser. Vor allem aber habt ihr euren Kommilitonen einiges voraus. Wenn sie sich nach ihrem Abschluss das Hirn darüber zermartern, wann den nun der richtige Zeitpunkt fürs Kinderkriegen ist, könnt ihr euch zurücklehnen; euer Kind geht jetzt vermutlich längst in Kita oder Schule und ihr erobert euch eure Freiheiten zurück.
Ich habe alle drei Kinder in meiner Unizeit bekommen. Das war nicht immer nur einfach. Und trotzdem würde ich am liebsten schreien: „Bekommt die Kinder noch im Studium, das ist großartig!“ Zum ersten Mal wurde ich mit 23 Mutter, dann mit 27 und dann noch mal mit 31. Was sich hieraus schon einmal ableiten lässt: Ich habe nicht in Regelstudienzeit studiert. Gerissen habe ich sie im Grunde aber auch nur um ein Semester (mehr dazu bei Punkt 5).
Ich habe den ganzen Morgen darüber nachgedacht, was mir tatsächlich dabei geholfen hat, Uni, Job und Familie zu wuppen. Das waren natürlich unterschiedliche Faktoren, persönliche, aber auch strategische von Seiten der Uni:
1. Der Zeitpunkt war günstig.
Ich hab Journalistik und Psychologie studiert — noch auf Diplom. Der Studiengang war so aufgebaut, dass zwischen Grund- und Hauptstudium das Volontariat lag, unsere journalistische Ausbildung quasi. Das hatte ich schon hinter mir, als ich schwanger wurde. Ebenso ein längeres Pflichtpraktikum in einer anderen Stadt.
2. Ich konnte Träume ziehen lassen.
Ich wollte gerade das Thema Auslandssemester angehen, als ich den positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt. Ja, ich hätte auch schwanger das Erasmus-Semester machen können. Aber im Ernst: Wer bitte macht Erasmus, um nüchtern tatsächlich jede Vorlesung zu besuchen und abends müde ins Bett zu fallen?! Das Auslandssemester habe ich mir also geknickt. Das fand ich schade und manchmal finde ich das auch heute noch schade, aber ich kann damit leben. Ein Personaler wird das vielleicht als Makel in meiner Vita werten, aber ich verstehe nicht, warum ein Erasmus-Semester tatsächlich fordernder und sinnstiftender sein sollte, als ein Kind zu bekommen?! Außerdem: Wer weiß, wohin einen das Leben noch so treibt. Das Ausland läuft ja nicht weg.
3. Andere Träume habe ich trotzdem verwirklicht.
Die Elternzeit wollte ich unbedingt sinnvoll verbringen. Also sind wir kurzerhand für ein Praktikum mit Sack und Pack nach Hamburg gezogen. Wir haben unsere Wohnung aufgegeben, unsere Möbel untergestellt und uns in Hamburg eine kleine, möblierte Wohnung gemietet und das Kinderbett mitgebracht. Die zweite Elternzeit waren wir in Stockholm, da habe ich auf den Spielplätzen an meiner Studienarbeit geschrieben. Aber klar, ich habe nicht noch vier weitere unbezahlte Praktika in irgendwelchen Redaktionen absolviert. Schlimm finde ich das nicht gerade.
4. Ich war eine von wenigen.
Es gibt wenige Mütter auf dem Campus. Und Journalistinnen bekommen besonders selten Kinder. Grundsätzlich finde ich das natürlich total schade. Ich hätte mir auch gerne mehr Austausch und mehr Solidarität untereinander gewünscht. Anders als bei dir, Alu, hatte es für mich auch den Vorteil, dass ich als Exotin immer irgendwie eine Sonderrolle hatte. Die Leute auf dem Campus waren immer besonders nett, der Prof hat die Sprechstunde besonders schnell durchgezogen, wenn meine Tochter auf dem Flur spielte, und in manche Kurse wurde ich noch an der Warteliste vorbei geschleust, weil das sonst mit der Kinderbetreuung nicht hingehauen hätte. „Familienfreundlich“ war mehr als nur ein Buzzword an meiner Uni.
5. Ich hatte Zeit.
Die Zeit ist eine der entscheidenden Faktoren, wenn wir Job und Familie und eben auch die Uni unter einen Hut bekommen wollen. Und hier hat meine Uni eine wegweisende Entscheidung getroffen: Ich war beurlaubt und konnte trotzdem Scheine, ja sogar meine Diplomprüfungen machen. Wer an unsere TU wegen der Erziehung der eigenen Kinder beurlaubt ist, darf trotzdem weiter Seminare und Vorlesungen besuchen und auch Prüfungen ablegen. So konnte ich kurz nach der Geburt meiner ersten Tochter schon ein, zwei Seminare besuchen und mein Zweitfach abschließen. Kein Chef wollte von mir wissen, wann ich mit welcher Stundenzahl wohin wiederkomme. Ich konnte ganz frei entscheiden, wann ich wie viel für die Uni machen will. Und so kommt es, dass ich zwar 13 Jahre studiert, aber dazu offiziell nur 12 Semester dazu gebraucht habe.
Ich habe es mir aber auch selbst erlaubt länger zu brauchen. Ich wollte nicht straight in der tatsächlichen Regelstudienzeit meine Uni beenden und diesem Ziel alles unterordnen. Ich wollte arbeiten (Punkt 6) und ich wollte Zeit für die Familie. Ich musste mir auch die Zeit nehmen, um für meine Abschlussarbeiten die Themen zu finden, die für mich — und vielleicht auf ein bisschen für die Gesellschaft — von Relevanz sind. So überrascht es nicht, dass ich mein Studium mit einer Diplomarbeit zur Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beendet habe (schwanger mit Kind 3). Meine mündliche Abschlussprüfung handelte übrigens von Frauenkarrieren in den Medien. Gerade für mich als Mutter ein absolut relevantes Thema.
6. Ich war schon im Beruf.
Ich habe während meiner gesamten Unizeit schon in meinem Beruf, dem Journalismus, gearbeitet. Dort wird man nicht reich, aber das wurde ich auch nicht bei meinen Promotion-Jobs oder als ich noch gekellnert habe. Er ist vor allem aber sehr flexibel. Und durch das Schreiben konnte ich Berufserfahrung sammeln und direkt nach den Geburten weiterarbeiten und dabei eben auch studieren. Und auch hier noch mal zum Thema Zeit: Ich habe viel gearbeitet und geht so viel studiert. Meine Prioritäten waren ziemlich klar. Aber nur weil ich sie selbst setzen konnte, habe ich das auch wirklich durchziehen können.
7. Ich war einfach eine junge Mutter.
Klar, es hat auch Nachteile eine junge Mutter zu sein. Aber es gibt auch eine ganze Reihe Vorteile, allen voran die Biologie. 23 ist nun mal ein super Alter, um Kinder zu bekommen. Meine älteste Tochter ist inzwischen 9 Jahre alt, ich 32. Hätte ich nur ein Kind bekommen, es wäre wirklich aus dem Gröbsten raus und ich immer noch am Anfang meiner Karriere. In jungen Jahren steckt man übrigens auch die durchwachten Nächte (wenn das Kind zahnt oder die Abgabe der Seminararbeit ansteht) besser weg.
Vieles lief also ganz gut. Und trotzdem fallen mir noch ein paar Dinge ein, die mein Studentenleben als Mutter leichter gemacht hätten:
1. Einen Bücher-Hol-Service in der Bib.
In der Fachbereichsbibliothek hatte ich eins der wenigen unschönen Erlebnisse als Mutter. Ich musste Bücher raussuchen und meine Tochter, damals 15 Monate alt, hatte es gewagt zu lachen. Wir wurden darauf hingewiesen, dass in der Bib Ruhe herrschen sollte. Ich hatte die unfreundliche Mitarbeiterin dann darauf hingewiesen, dass die Uni, wenn sie denn wirklich etwas für Eltern tun wolle, ihnen bei der Bücher-Suche helfen könne. Das wäre vielleicht für alle Beteiligten am einfachsten.
2. Familienparkplätze.
Die Parkplatzsuche an der Uni ist die Hölle. Familienparkplätze für die wenigen Eltern, die es auf dem Campus gibt, hätten mir das Uni-Leben erleichtert.
3. Seminare zu kitafreundlichen Zeiten.
Ein Uni-Tag von 8 bis 16 Uhr ist lang genug.
4. Weniger Präsenzzeiten.
Ehrlich, wir sind erwachsen! Ich möchte selbst entscheiden, ob dieses Seminar oder jene Vorlesung relevant für meinen Lernerfolg sind. Bitte nur Präsenzzeiten, wenn es wirklich nötig ist und nicht, damit sich die Profs nicht wundern müssen, warum die Studierenden wohl ihren Vorlesungen fernbleiben.
5. Mutterschutz für Studentinnen.
Bis vor wenigen Jahren gab es für Studentinnen keinen Mutterschutz. Sie mussten also auch zwei Tage nach Entbindung zur Klausur, wenn sie keinen Fehlversuch haben wollten. Verrückt! Das hat sich glücklicherweise inzwischen geändert.
Zum Schluss will ich noch auf einen ganz wichtigen Aspekt eingehen: die finanzielle Sicherheit. Zum Gelingen von Vereinbarkeit brauchen wir Zeit und Flexibilität. Wir brauchen aber auch eine solide wirtschaftliche Basis. Allein vom Bafög kann heute kaum noch jemand seinen Lebensunterhalt bestreiten, geschweige denn eine Familie ernähren. Ich hatte das Glück, dass mein Mann schon länger im Job und damit finanziell abgesichert war. Das ist aber nun mal nicht die Regel. Ein Stipendium speziell für Eltern, wie du, Alu, es forderst, finde ich eine spitzen Idee! Wenn schon in der Wirtschaft allmählich ankommt, dass Eltern verdammt gute Arbeitnehmer sein können, sollten Stiftungen kapieren, was für großartige potenzielle Stipendiatinnen und Stipendiaten da draußen herumlaufen. Und im besten Fall profitieren ja gleich zwei Generationen von dem Stipendium.