Gerade wird wieder viel über die deutsche Kinderbetreuungslandschaft diskutiert, unter anderem wegen dieser Studie und dem geplanten Gute-Kita-Gesetz der Familienministerin. Es geht in der Diskussion auch um die Qualität der Einrichtungen — und jedes Mal, wenn dieses Thema aufploppt, wische ich mir in Gedanken über die Stirn. Puh, Glück gehabt! Unsere Kita ist nämlich ziemlich gut. Aber was heißt das eigentlich, eine gute Kita?
Zunächst einmal gibt es keine einheitlichen Qualitätsstandards in für Kindertagesstätten in Deutschland, was die Antwort auf diese Frage erschwert. Ohnehin ist es für Eltern meist schwierig ein vollständiges Bild einer Einrichtungen zu bekommen. Aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Qualität einer Kita zu beurteilen. Die Art der Ansprache, die Größe der Räume und des Außengeländes und das pädagogische Konzept etwa können erste Orientierungshilfen sein. Ebenso Fortbildungsstand der Mitarbeiter/innen und der Personalschlüssel. 2016 zum Beispiel kümmerte sich ein/e Erzieher/in im Durchschnitt um 4,2 Kleinkinder, beziehungsweise um 9,2 Kindergartenkinder (über 3 Jahre). Je nach Bundesland und auch nach Kommune können diese Werte variieren. Liegt die Quote deutlich darüber, also werden deutlich mehr Kinder von einer Kraft betreut, sollten Eltern schon mal ins Grübeln kommen. Aber auch diese Zahlen sind erst einmal nur Hinweise.
Einige Qualitätsmerkmale lassen sich hingegen nur schwer bemessen, denn dabei geht es um etwas zutiefst Subjektives: das Gefühl. In der Kita unserer Kinder zum Beispiel (eine Elterninitiative) hatte ich von Anfang an ein gutes Gefühl und daher auch nie ein schlechtes Gewissen arbeiten zu gehen. Aber woher kommt das eigentlich, dieses gute Gefühl?
Ich habe die Diskussionen der vergangenen Tage zum Anlass genommen, mir ein paar Gedanken darüber zu machen, was für mich eine gute Kita ausmacht und warum ich unsere so großartig finde (was übrigens nicht heißt, dass in unserer Einrichtung alles nur toll ist, aber eben vieles). Das Ergebnis ist vorläufig, denn mir fällt sicher später noch mehr ein, und wie oben beschrieben: Es ist zutiefst subjektiv.
1. Bedürfnisorientierung
Meines Erachtens sind in einer guten Einrichtung die Bedürfnisse der Kinder zentral, die Bedürfnisse der Erzieherinnen und Erzieher und auch die der Eltern werden aber ebenso gesehen. Ich glaube, kein/e Erzieher/in unserer Kita würde sich das Label „Attachment Parenting“, also die bedürfnisorientierte Erziehung, geben. Aber viele von ihnen arbeiten schon lange danach. Die Bedürfnisse der Kinder werden in vielen Fällen gesehen und ernst genommen und sie versuchen, diesen Bedürfnissen Rechnung zu tragen — solange sie mit denen der anderen vereinbar sind. Diese Grundhaltung schlägt sich in so vielen Dingen nieder, alleine schon darin, wie mit den Kindern buchstäblich auf Augenhöhe gesprochen wird.
2. Flexibilität
Zu den Bedürfnissen der Eltern gehört übrigens auch, Job und Familie gut unter einen Hut zu bekommen. Dass unsere Kita sehr flexibel ist, etwa was die Bring- und Abholsituationen betrifft, macht es den berufstätigen Eltern deutlich leichter, Job und Familie zu vereinbaren. Dafür bin ich echt dankbar. Auch haben die Erzieherinnen und Erzieher eine große innere Flexibilität, ihre pädagogische Arbeit passen sie oft an die Impulse der Kinder an. Ein einfaches Beispiel: Neulich wollte meine Mittlere unbedingt ihr Schnitzmesser mit in die Kita nehmen. Ihr Erzieher hat daraufhin kurzerhand die Forschergruppe unterbrochen und alle durften eine Runde schnitzen.
3. Geduld
Werden die Bedürfnisse ernst genommen, ist die Basis gelegt für viele weitere, was ebenso ein gutes Gefühl bedingt. Zum Beispiel, dass die Wünsche und Sorgen der Kinder respektiert werden, mögen sie auch noch so nichtig erscheinen. Ich selbst hätte nicht die Nerven, auch die sechste Strumpfhose zu wechseln, weil die kratzt/kitzelt/komisch sitzt. Die Leute in unserer Kita haben diese Nerven. Das mag zum Job gehören, beeindruckt mich dennoch immer wieder.
4. Begeisterungsfähigkeit
Ich glaube, unsere Erzieher und Erzieherinnen haben wirklich Bock auf ihren Job. Das klingt so profan, aber doch ist es etwas ganz Wichtiges. Sie schleppen Stühle und Tische nach draußen, wenn das Wetter zum Frühstück auf dem Hof einlädt. Sie kippen Sand und Steine in die Turnhalle, wenn dort eine Wüstenlandschaft entstehen soll und sie holen auch noch fünf Minuten vor Feierabend die Wachsmalstifte heraus.
5. Gemeinschaft
In unserer Kita sind wir nicht nur Mutter und Vater von XY, sondern jeder aus unsere Familie ist Teil der Gemeinschaft. Vielleicht ist diese Nähe so ein Elterninitiativen-Ding. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es für das Kind immer das Beste ist, wenn Eltern und Erzieher/innen (oder Lehrer/innen) einander kennen und bestenfalls an einem Strang ziehen. Dazu müssen aber beide Seiten die Bereitschaft haben, nahbar zu sein.
6. Transparenz
Das bringt mich zu einem weiteren Punkt: Transparenz. Unsere Einrichtung offen, wir Eltern können zum Frühstück bleiben oder nachmittags zum Kaffee kommen. So nehmen wir nicht nur an dem Kita-Alltag unserer Kinder teil, wir bekommen Einblicke in die tägliche Arbeit und die grundsätzliche Haltung in der pädagogischen Arbeit. Und wer das zulässt, hat — so vermute ich zumindest —auch nichts zu verbergen.
7. Freiheit
Kinder brauchen Verlässlichkeit, sie brauchen aber auch die Freiheit sich entfalten zu dürfen — in ihrer Persönlichkeit und auch im täglichen Tun. Unsere Einrichtung bietet dafür Platz, in den Räumen, auf dem Außengelände und, so habe ich es zumindest im Gefühl, auch in den Herzen der Erzieherinnen und Erzieher. Sie dürfen sich verkleiden, bemalen, sie dürfen Decken und andere Materialien nach draußen schleppen und auf Bäume klettern. Sie dürfen traurig sein und ganz gewiss dürfen sie laut sein.