Was macht eine gute Kita aus?

Gerade wird wieder viel über die deutsche Kinderbetreuungslandschaft diskutiert, unter anderem wegen dieser Studie und dem geplanten Gute-Kita-Gesetz der Familienministerin. Es geht in der Diskussion auch um die Qualität der Einrichtungen — und jedes Mal, wenn dieses Thema aufploppt, wische ich mir in Gedanken über die Stirn. Puh, Glück gehabt! Unsere Kita ist nämlich ziemlich gut. Aber was heißt das eigentlich, eine gute Kita?

Zunächst einmal gibt es keine einheitlichen Qualitätsstandards in für Kindertagesstätten in Deutschland, was die Antwort auf diese Frage erschwert. Ohnehin ist es für Eltern meist schwierig ein vollständiges Bild einer Einrichtungen zu bekommen. Aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Qualität einer Kita zu beurteilen. Die Art der Ansprache, die Größe der Räume und des Außengeländes und das pädagogische Konzept etwa können erste Orientierungshilfen sein. Ebenso Fortbildungsstand der Mitarbeiter/innen und der Personalschlüssel. 2016 zum Beispiel kümmerte sich ein/e Erzieher/in im Durchschnitt um 4,2 Kleinkinder, beziehungsweise um 9,2 Kindergartenkinder (über 3 Jahre). Je nach Bundesland und auch nach Kommune können diese Werte variieren. Liegt die Quote deutlich darüber, also werden deutlich mehr Kinder von einer Kraft betreut, sollten Eltern schon mal ins Grübeln kommen. Aber auch diese Zahlen sind erst einmal nur Hinweise.

Einige Qualitätsmerkmale lassen sich hingegen nur schwer bemessen, denn dabei geht es um etwas zutiefst Subjektives: das Gefühl. In der Kita unserer Kinder zum Beispiel (eine Elterninitiative) hatte ich von Anfang an ein gutes Gefühl und daher auch nie ein schlechtes Gewissen arbeiten zu gehen. Aber woher kommt das eigentlich, dieses gute Gefühl?

Ich habe die Diskussionen der vergangenen Tage zum Anlass genommen, mir ein paar Gedanken darüber zu machen, was für mich eine gute Kita ausmacht und warum ich unsere so großartig finde (was übrigens nicht heißt, dass in unserer Einrichtung alles nur toll ist, aber eben vieles). Das Ergebnis ist vorläufig, denn mir fällt sicher später noch mehr ein, und wie oben beschrieben: Es ist zutiefst subjektiv.

1. Bedürfnisorientierung
Meines Erachtens sind in einer guten Einrichtung die Bedürfnisse der Kinder zentral, die Bedürfnisse der Erzieherinnen und Erzieher und auch die der Eltern werden aber ebenso gesehen. Ich glaube, kein/e Erzieher/in unserer Kita würde sich das Label „Attachment Parenting, also die bedürfnisorientierte Erziehung, geben. Aber viele von ihnen arbeiten schon lange danach. Die Bedürfnisse der Kinder werden in vielen Fällen gesehen und ernst genommen und sie versuchen, diesen Bedürfnissen Rechnung zu tragen — solange sie mit denen der anderen vereinbar sind. Diese Grundhaltung schlägt sich in so vielen Dingen nieder, alleine schon darin, wie mit den Kindern buchstäblich auf Augenhöhe gesprochen wird. 

2. Flexibilität
Zu den Bedürfnissen der Eltern gehört übrigens auch, Job und Familie gut unter einen Hut zu bekommen. Dass unsere Kita sehr flexibel ist, etwa was die Bring- und Abholsituationen betrifft, macht es den berufstätigen Eltern deutlich leichter, Job und Familie zu vereinbaren. Dafür bin ich echt dankbar. Auch haben die Erzieherinnen und Erzieher eine große innere Flexibilität, ihre pädagogische Arbeit passen sie oft an die Impulse der Kinder an. Ein einfaches Beispiel: Neulich wollte meine Mittlere unbedingt ihr Schnitzmesser mit in die Kita nehmen. Ihr Erzieher hat daraufhin kurzerhand die Forschergruppe unterbrochen und alle durften eine Runde schnitzen.

3. Geduld
Werden die Bedürfnisse ernst genommen, ist die Basis gelegt für viele weitere, was ebenso ein gutes Gefühl bedingt. Zum Beispiel, dass die Wünsche und Sorgen der Kinder respektiert werden, mögen sie auch noch so nichtig erscheinen. Ich selbst hätte nicht die Nerven, auch die sechste Strumpfhose zu wechseln, weil die kratzt/kitzelt/komisch sitzt. Die Leute in unserer Kita haben diese Nerven. Das mag zum Job gehören, beeindruckt mich dennoch immer wieder.

4. Begeisterungsfähigkeit
Ich glaube, unsere Erzieher und Erzieherinnen haben wirklich Bock auf ihren Job. Das klingt so profan, aber doch ist es etwas ganz Wichtiges. Sie schleppen Stühle und Tische nach draußen, wenn das Wetter zum Frühstück auf dem Hof einlädt. Sie kippen Sand und Steine in die Turnhalle, wenn dort eine Wüstenlandschaft entstehen soll und sie holen auch noch fünf Minuten vor Feierabend die Wachsmalstifte heraus.

5. Gemeinschaft
In unserer Kita sind wir nicht nur Mutter und Vater von XY, sondern jeder aus unsere Familie ist Teil der Gemeinschaft. Vielleicht ist diese Nähe so ein Elterninitiativen-Ding. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es für das Kind immer das Beste ist, wenn Eltern und Erzieher/innen (oder Lehrer/innen) einander kennen und bestenfalls an einem Strang ziehen. Dazu müssen aber beide Seiten die Bereitschaft haben, nahbar zu sein.

6. Transparenz
Das bringt mich zu einem weiteren Punkt: Transparenz. Unsere Einrichtung offen, wir Eltern können zum Frühstück bleiben oder nachmittags zum Kaffee kommen. So nehmen wir nicht nur an dem Kita-Alltag unserer Kinder teil, wir bekommen Einblicke in die tägliche Arbeit und die grundsätzliche Haltung in der pädagogischen Arbeit. Und wer das zulässt, hat — so vermute ich zumindest auch nichts zu verbergen.

7. Freiheit
Kinder brauchen Verlässlichkeit, sie brauchen aber auch die Freiheit sich entfalten zu dürfen — in ihrer Persönlichkeit und auch im täglichen Tun. Unsere Einrichtung bietet dafür Platz, in den Räumen, auf dem Außengelände und, so habe ich es zumindest im Gefühl, auch in den Herzen der Erzieherinnen und Erzieher. Sie dürfen sich verkleiden, bemalen, sie dürfen Decken und andere Materialien nach draußen schleppen und auf Bäume klettern. Sie dürfen traurig sein und ganz gewiss dürfen sie laut sein. 

Warum ich mich von Körperidealen verabschiede

Vor ein paar Tagen habe ich ein spannendes Interview mit einer sehr klugen Frau geführt. Dabei ging es um bestimmte Körperideale und welche chirurgischen Eingriffe es gibt, um diese Ideale zu erreichen. Das Interview selbst wird noch erscheinen, daher kann ich hier noch nicht ins Detail gehen, aber das Gespräch hallte lange in mir nach.

Es war einer dieser warmen Tage, die uns der Mai in diesem Jahr beschert. Ich fuhr nach dem Interview nach Hause. Dort tobten die Mädchen ausgelassen im Garten, rannten durch den Rasensprenger und freuten sich über die Spuren ihrer nassen Füße auf dem Trampolin. Sie waren ganz bei sich und mit sich und ihrem Körper im Reinen.

Ich war so angerührt. Sie wissen noch nichts von den Erwartungen, die irgendwann an sie gerichtet werden und wovon mir meine Interviewpartnerin erzählte. Wie sie als Mädchen und später als Frauen auszusehen, sich zu geben haben. Dass sie nicht zu dick sein dürfen, zu klein, zu groß, zu alt, zu jung, zu dünn, zu burschikos, zu schüchtern, zu zickig, zu laut, zu leise, die Haare zu lang oder zu kurz oder zu blond/brünette/blau oder grau. Sie wissen noch nichts von den Idealen, die so weit entrückt sind von der Wirklichkeit, dass sie erreichen zu wollen nur krank machen kann.

Sie sind so frei. Und ich frage mich, warum wir Erwachsenen das nicht mehr sind. Was ist passiert, dass wir angefangen haben, unsere Körper, die uns einst auf dem Trampolin springen ließen, nun als etwas zu empfinden, gegen das man arbeiten muss? Das man im Zaum halten, hart trainieren, geißeln muss?

Mir ging es an diesem Nachmittag ähnlich wie Taryn Brumfitt in ihrer Dokumentation „Embrace“ (dieser Film, der dank Nora Tschirner in Deutschland so Furore gemacht hat). Darin erzählt sie, wie die Vorstellung daran, ihre Tochter würde auch einmal anfangen mit ihrem Körper zu hadern, das Herz gebrochen hat. Zuvor hatte sie selbst ihren Mutterkörper mit all den Makeln und Schwangerschaftskilos unter großem Aufwand für einen Bodybuilding-Wettbewerb gestählt — um dann festzustellen, dass sie auch mit diesem Fitness-Körper nicht glücklich war.

Nun muss ich glücklicherweise keinen Bodybuilding-Wettbewerb absolvieren, um mir Gedanken darüber zu machen, mit welchem Selbstbild meine Töchter aufwachsen sollen — und welchen Anteil ich daran habe und haben kann.

Eltern als Rollenvorbilder

Entwicklungspsychologische Studien zeigen, dass Eltern den größten Einfluss auf das Körperbild ihrer Söhne und Töchter nehmen, erst dann folgen Medien und Gleichaltrige (vgl. McCabe & Ricciadelli 2003; Stanford & McCabe 2006). Wir Eltern fungieren also als Rollenvorbilder; wie wir zu unseren Körpern stehen und wie wir mit ihnen umgehen, geben wir an unsere Kinder weiter. Und ich will ihnen kein Modell dafür sein, ein Leben lang unglücklich mit sich zu sein.

Mir ist klar, dass es gesellschaftliche Normvorstellungen gibt, dass auch ich nicht gänzlich frei bin von den Bildern, die über sämtliche medialen Kanäle auch in meinem Hirn landen und dort meine Schönheitsideale konstruieren. Auch ich spüre manchmal den Druck, so oder so aussehen zu müssen. Aber mit jedem Kind hat auch dieser Druck in mir mehr Gegengewicht (Achtung Wortspiel) bekommen.

Da ist zum einen die Vernunft, die mir sagt, dass diese ganzen Schönheitsideale großer Quatsch sind. Selbst die Models sind ja nicht hübsch genug, um ohne Photoshop auf die Titelseiten und Plakate zu kommen, wie also sollte ich das sein?!

Dann ist da der Trotz, der ohnehin ein Problem mit dem Anpassen hat. Richten x und y ganz besonders irrsinnige Erwartungen an mich, schaltet sich der Trotz automatisch ein. Dann beiße ich genüsslich in den Schokoriegel und zeige x und y gedanklich den Mittelfinger.

Freude über das Leben

Am lautesten in mir ist aber inzwischen die Freude. Die Freude über das Leben. Die funktioniert so wunderbar, weil sie den Blick aufs Wesentliche lenkt. Absurde Erwartungen über mein Äußeres nehme ich schlicht nicht mehr so wahr. Klar, mein Körper hat sich verändert seit ich Mutter bin. Wie kommen wir bitte auf die abwegige Idee, das könnte anders sein?!

Nach der Geburt meiner dritten Tochter habe ich zu meinem Mann gesagt: „Wenn ich irgendwann anfangen werde an meinem Körper herumzumäkeln, erinnere mich an genau diesen Punkt!“ Ich hatte gerade ein 4,2-Kilo-Sternengucker-Baby zur Welt gebracht und dieser Körper war stark. So stark!

Dieser Körper trägt mich durch diese Welt, er kann Kinder zur Welt bringen, sie ernähren, er kann Menschen in den Arm nehmen und Schränke in den zweiten Stock schleppen, er kann sogar Trampolin springen. Meine Freundin, deren Körper so krank war, dass sie noch während unserer Uni-Zeit starb, sie hätte sicher gerne meinen gehabt. Nicht perfekt und gerade sicher auch nicht top in Form. Aber ein akzeptabler, gesunder Körper.

Ich weiß, dass es viele Menschen und gerade Mütter nicht so empfinden. Dass sie mit ihrem neuen Körper hadern, dass sich einige operieren lassen und dass es einigen nach so einem Eingriff sogar besser geht. Das finde ich völlig in Ordnung, denn dahinter stecken immer persönliche Geschichten und Schicksale und jeder ist völlig frei darin, eigene Entscheidungen zu treffen. Auch glaube ich nicht, dass man sich schön fühlen muss. Ich denke schlicht, dass es so viel Wichtigeres als Schönheit gibt. 

Auch ich finde nicht jeden Tag spitze, was ich im Spiegel sehe. Aber an den meisten Tagen blicke ich in den Spiegel und sehe so viel Leben. Meins und das meiner Kinder. Und ja, auch viele Spuren davon. Aber hey, das mit dem Leben, das finde ich wirklich schön!

Liebe kinderlose Freundinnen, was ich euch noch sagen wollte… 

Neulich war meine (kinderlose) Freundin für ein paar Tage zu Besuch, was meine Töchter gleichermaßen freut wie mich. Sie gehen nämlich selbstverständlich davon aus, dass meine Freundinnen auch ihre sind.

Dieser Besuch hat mich noch einmal nachdenken lassen über meine Freundschaften. Viele meiner Freundinnen haben keine Kinder. Oder noch keine Kinder. So genau weiß ich das nicht, vielleicht ebenso wenig wie sie selbst. Wie alles im Leben sind auch Freundschaften dynamische Gebilde, denn so wie das Leben der einen spielt, so läuft das Leben der anderen vielleicht in eine ganz andere Richtung.

Es gibt ja dieses Sprichwort „Es braucht ein ganzes Dorf um ein Kind großzuziehen“. Da ist viel dran, und darin steckt noch so viel mehr. Ich bin mir sicher: Es braucht ein ganzes Dorf, damit ein MENSCH gut gedeihen kann. Auch als Erwachsene brauche ich meine Dorfgemeinschaft, meine Freundschaften, um zu wachsen.

Und gerade als Mutter brauche ich auch euch, liebe kinderlosen Freunde und Freundinnen. Ihr wohnt nebenan, in einer anderen Stadt oder auch in einem anderem Land. Wir sehen uns oft, manchmal telefonieren wir auch bloß. Manchmal ist es auch nur eine kurze WhatsApp, die uns wieder zusammenbringt. Es könnte so vieles geben, das uns als Freundinnen trennt — viel mehr haben wir aber, das uns verbindet.

Was ich euch noch sagen wollte:

Ihr habt zwar keine eigenen, aber ihr habt meine Kinder. Mal nur für einen kurzen Moment, wenn ihr ihnen gerade ein Buch vorlest, mal auch ein ganzes Wochenende.

Ihr habt die Nerven, wenn ich sie nicht habe. Wenn ich abends heule, weil das Kind nach zwei Stunden (mal wieder) nicht einschlafen will, übernehmt ihr das einfach am nächsten Abend.

Ihr habt den Blick für die weite Welt, ich hingegen schaffe es kaum hinaus über den Gartenzaun zu schauen.

Ihr habt die Worte, die mir fehlen. Dieser Erwachsenensprech, diese Themen, über die alle gerade im Büro, in der Bar, auf Konferenzen sprechen. Meine Worte kreisen gerade eher im Kita-Kosmos.

Ihr habt die Leichtigkeit, eine ganze Nacht lang durchzutanzen. Allein die Vorstellung daran, das auch mal wieder mit euch machen zu können, hilft durch diese durchwachten Nächte.

Ihr habt Zeit, auch wenn ihr das manchmal selbst nicht seht. Ihr habt so viel Zeit, dass ihr bei Verabredungen mit mir einfach sagt: „Wie es dir passt!“ Ich hingegen sage: „Ich muss gucken!“

Ihr habt Geduld, weil ihr wisst, dass auch ich irgendwann wieder zur Verabredung sagen kann: „Wie es dir passt!“

Manchmal habt ihr auch die Sorge, dass eure Sorgen lächerlich wirken, wenn ich euch von meinen erzähle. Ich kann euch versichern: Das tun sie nicht!

Ihr seid mein Dorf, liebe Freundinnen (mit und ohne Kindern), und ich bin dankbar, dass es euch gibt!

Macht das Mutter-Sein einen anderen Menschen aus uns?

Eigentlich ist der Muttertag bei uns zuhause keine große Sache — vielleicht, weil meine Mutter schon immer diesen Tag irgendwie doof fand. Nun nutze ich aber diesen verregneten Muttertagssonntag, um noch einmal in meinem Archiv zu wühlen. Tatsächlich gibt es nämlich einen Artikel, an dem meine Mutter und ich gemeinsam gearbeitet haben. Und der ja doch zu diesem Tag heute passt und noch immer aktuell ist.

Macht das Mutter-Sein eigentlich einen anderen Menschen aus mir? Wie sehr verändern wir uns, wenn wir Eltern werden? Das habe ich mich vor einiger Zeit in einer Titelgeschichte für die ELTERN gefragt und das dazu geschrieben:

„Oh, was habe ich mich nach der Geburt meiner ersten Tochter bemüht, mich nicht zu verändern. Ich wollte unbedingt die alte Leonie bleiben, habe mein Baby auf WG-Partys und in den Hörsaal mitgeschleppt. 23 Jahre alt war ich da. 

Irgendwann hatte ich das Gefühl, durch die Angst vor der Veränderung etwas viel Wichtigeres zu verpassen: Die Chance auf so viel Neues, neue Gedanken, neue Gefühle, so viele neue Perspektiven und Träume, die das Mutter-Sein neben den durchwachten Nächten und nicht erlebten Partys mit sich bringt. Natürlich wollte ich nicht alles hinter mir lassen, meine Freundschaften aufkündigen und von vorne anfangen. Aber meine Tochter hatte nun mal mein Leben auf den Kopf gestellt – dann wollte ich doch bitte auch das Beste daraus machen!

Ich denke nicht, dass die Mutterschaft einen ganz anderen Menschen aus mir gemacht hat. Vielleicht bin ich kritischer geworden und gleichzeitig gelassener. Bestimmt hat sich etwas verschoben. Prioritäten zum Beispiel: Ich arbeite sehr gern, mache aber längst nicht mehr jeden Quatsch mit. Ich gehe immer noch gerne aus, muss aber nicht mehr die Letzte auf der Party sein. Auch Beziehungen haben sich verändert: Einige Freundschaften sind auf halbem Wege zwischen Uni, Job und Kinderkriegen verloren gegangen – andere haben dafür an Fahrt aufgenommen. Vielleicht wäre das aber auch ohne Kinder passiert…“

Antwort von Mama

Für diesen Artikel habe ich aber eben nicht nur Selbstgespräche geführt, ich habe auch andere gefragt, ob das Mutter-Sein mich verändert hat. Neben anderen Familienmitgliedern und Freunden hat mir auch meine Mama geantwortet:

„Ich denke schon, dass dich dein Mutter-Sein sehr geformt hat. Und ich glaube, dass deine Kinder dir dabei sehr behilflich sind, dich im positivsten Sinne des Wortes zu beschränken. Du bist ein Mensch mit viel Kraft, mit vielen Talenten, mit viel Neugier und Lebenslust, was ich früher manches Mal mit Besorgnis zur Kenntnis genommen habe, weil ich fürchtete, du würdest dich unterwegs im grenzenlos-Sein verlieren. Heute erlebe ich, dass deine Mädchen dich durch ihre bedingungslose Liebe klarer, deutlicher und konturierter machen. Und so, wie man sagt, dass man Kindern Flügel geben soll, glaube ich, dass Kindern den Eltern Wurzeln geben – bei dir war und ist das sicher so. Und vielleicht hat das auch mit diesen Wurzeln zu tun, dass wir beide uns heute auch als Mütter gegenseitig mit Respekt und Wertschätzung begegnen.“

Neulich habe ich in einem Interview mit einer Psychologie-Professorin gelesen, dass sich die Persönlichkeit ein Leben lang noch ändern kann. Also, liebe Mama, vielleicht findest du diesen Tag heute ja inzwischen gar nicht mehr so doof. In diesem Sinne: Alles Gute zum Muttertag!

Welcome to Spießerhausen! Warum wir im Neubaugebiet wohnen

Gerade haben wir den Parkettboden verlegt. Eiche, handgehobelt, natur geölt. In unserem neuen Haus. Wir haben uns festgelegt: Die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte wohnen wir mit unseren drei Kindern und einem Hund in einer Doppelhaushälfte in einem Neubaugebiet. Welcome to Spießerhausen. What the fuck!

Noch vor zehn Jahren hätte ich mich eher in einer Altbauwohnung in Hamburg-Eppendorf, einem Loft in Manhattan, einer Strandhütte in Goa oder in einem Bauwagen im Berliner Umland gesehen. Ein Roadtrip durch Südamerika hätte mir damals weniger Angst gemacht, als die Vorstellung von Putzpartys im Klinkerbau. Urbanität, Kosmopolitismus, Liberalismus — alles Dinge, die meiner Generation (die Y-ler) wohl besonders wichtig sind und von dem mein Leben gerade meilenweit entfernt ist.

Zurück in meine Heimatstadt, ein Haus im Neubaugebiet — ein kleiner Teil in mir hat es am Anfang als eine Art Niederlage empfunden. Die große Sorge: Ein Leben in der Durchschnittlichkeit, eingemeißelt in die lupenreine Hausfassade. Aber was soll ich sagen?! Ich liebe dieses Leben!

Kinder können uns ein ganz großes Geschenk mitbringen, sofern wir sie denn lassen. Dieses Geschenk klingt so gar nicht prätentiös, es lässt sich nur schlecht in Szene setzen und manch einem kann es gar einen ganz schönen Schreck einjagen. Und trotzdem gehört es zu den besten Dingen, die ich je bekommen habe — es ist die Bodenhaftung.

Die fühlt sich manchmal nach Betonschuhen an. Viel öfter aber nach geerdet sein, ankommen, ein Zuhause haben. Inzwischen habe ich verstanden, dass Heimat kein Ort ist. Es ist ein Gefühl. Und wenn man sich erst darauf eingelassen hat, schärft sich der Blick für all die tollen Dinge, die einem zuhause begegnen können. Sogar in Spießerhausen:

 

1.Gemeinschaft
Wir haben weder Lieferando oder Deliveroo, dafür haben wir eine Art Foodsharing in der Nachbarschaft: Einer in der Straße hat aber immer Eier, Nudeln oder Parmesan im Haus, wenn die bei uns mal wieder fehlen. Genauso wie einen Rasenmäher oder helfende Hände, wenn die neue Ikea-Kommode ins Dachgeschoss geschleppt werden muss. Und wir grüßen uns auf der Straße — mit Namen!

 

2. Überschaubarkeit
Hier im Baugebiet haben wir auch keinen Deli oder Späti, nur einen profanen Bäcker. Zu dem kann aber schon meine Vierjährige alleine gehen und Brötchen holen. Siedlung und Stadt sind groß genug, um den Mädchen Raum zum Wachsen zu geben, und überschaubar genug, um sie ohne Sorgen ziehen zu lassen.

 

3. Freiheit
Die Kinder klingeln, wenn sie spielen wollen. Keine Play-Dates in WhatsApp-Gruppen (was vor allem Freiheit für uns Eltern bedeutet). Die Kinder fahren auf Rollern durch die Straßen und bauen Buden in den Büschen am Spielplatz. Sie fahren mit ihren Cousins Go-Kart auf der Straße — ohne, dass ich sie sehe! Sie kommen nach Hause, wenn die Laternen angehen.

 

4. Freundschaft
Unsere Nachbarn sind zu unseren Freunden geworden, mit denen wir grillen und die sich auch spontan in der Nacht um die Kinder kümmern, wenn plötzlich der Weg in die Notfallambulanz ansteht. Aber auch die Kinder knüpfen Freundschaften, vielleicht fürs Leben, vielleicht nur für eine kleine Weile. Sie fahren morgens zusammen mit dem Bus zur Schule und am Nachmittag spielen sie in der Siedlung. Und manchmal schleppen sie am Abend die Bettwäsche zum Übernachten über die Straße.

 

5. Familie
Meine Schwester wohnt mit ihren vier Kindern etwa 100 Meter entfernt. Nicht im Baugebiet, aber in der Nähe wohnen mein Bruder mit seinem Sohn und meine Mutter. Auch meine Schwiegermutter ist in einer halben Stunde bei uns zuhause. Wie schön die Nähe der Familie ist, hängt immer auch von der Beziehung zu den Familienmitgliedern ab. Bei uns ist es an den allermeisten Tagen ein Segen, dass wir alle so nah beieinander wohnen.

 

6. Sauberkeit
Das ist vielleicht ein Spießerding, aber machen wir uns doch nichts vor: Mit Kindern ist es schon schön, wenn weder Scherben noch gebrauchte Spritzen im Vorgarten liegen. Aber klar: Das andere Extrem, etwa ein putzteufeliger Nachbar, der auch von mir eine auf den Millimeter genau gestutzte Rasenkante erwartet, wäre für mich ähnlich furchtbar.

 

7. Bezahlbarkeit
Neulich habe ich die Immobilienseite der Süddeutschen Zeitung durchgesehen: Dreizimmerwohnung in München, Kaufpreis 750.000 Euro. Das ist doch verrückt! Wir haben gerade unser Haus gekauft und glauben, dass wir mit unserem Mittelschichtseinkommen die Summe am Ende der Kreditlaufzeit tatsächlich auch bewältigen zu können.

 

8. Natur
Genau zwei Minuten und 15 Sekunden laufen wir zum nahegelegenen See. Haben wir ihn halbumrundet, können wir in die großen Wälder rund um unsere Stadt verschwinden. Inzwischen kennen sich die Kinder deutlich besser mit Kräutern und Krabbeltieren aus als wir Eltern.

 

9. Individualität
Viele dieser Menschen hier in der Siedlung haben einen ähnlichen, verschwurbelten Sinn für Ästhetik und so säumen Gabionenwände und Steinhaufen die Vorgärten und Einfahrten dieser Siedlung. Bei so viel Konformität ist es ein Leichtes, einen auf ganz individuell zu machen. Mit dem Wildwuchs im Garten sind wir jedenfalls die Rebellen im Reich der Steingärten. Hier gibt es vielleicht keine Vintage-Läden, dafür aber das Second-Hand-Kaufhaus der Diakonie. Die Sachen dort sind ähnlich hässlich ironisch schick.

 

10. Exit-Strategie
Ich glaube nicht, dass ich jemals die Sehnsucht nach der großen weiten Welt verlieren werde. Packt sie mich akut, fahre ich in die nächstgelegene Großstadt oder fliege wenigstens einmal im Jahr übers Wochenende in eine der Metropolen Europas. Wir planen nicht, bis an unser Lebensende hier zu wohnen. Wie das Leben spielt, wissen wir nicht. In 15, 20 Jahren sind unsere Kinder schon ziemlich groß und wir noch jung genug, irgendwo anders neu anzufangen — sollten wir noch immer Lust darauf haben.